Ich bin viele. Und Du?

kinder grimassen 500

Manchmal sage ich „Wir“ statt „Ich“. Wir gehen jetzt einkaufen oder so etwas. Meistens eher, wenn ich mit mir selbst spreche, anderen gegenüber seltener.

Ich benutze den Pluralis Majestatis auch nicht, weil ich dem Größenwahn nahe bin (glaube ich wenigstens nicht), sondern eher scherzhaft, weil ich mir meiner vielen inneren Anteile bewusst bin.

Hast Du deine inneren Persönlichkeits-Anteile auch schon kennen gelernt?

Zum ersten Mal gehört von dem Thema habe ich in der Fortbildung „Emotional Healing“ von Dr. Janet Goodrich, meiner Ausbilderin in der „Natürlich Besser Sehen“- Methode. Ich lernte damals das Buch „Du bist viele“ von Hal und Sidra Stone kennen und auch gleich zwei meiner inneren Kinder.

Zuerst fand ich diese Vorstellung etwas merkwürdig. Aber schon Goethe ließ seinen Faust sagen:

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“.

Das Konzept, dass wir Menschen nicht nur aus einer Persönlichkeit bestehen, sondern verschiedene Anteile in uns haben, ist also nicht neu. Du kennst wahrscheinlich auch das Phänomen, dass Du zu einem bestimmten Thema hin und hergerissen bist, weil Du eben verschiedene innere Stimmen dazu hörst.

Ich erinnere mich an ein Erlebnis, wo ich das ganz deutlich gespürt habe:

Es ist schon eine Weile her, ich war noch neu auf Facebook und Co. unterwegs und hatte ein Bild gebastelt mit einem liebevollen Spruch von mir darauf.

Viele Leute haben den geliked und kommentiert. Das fühlte sich sehr schön an, es war so, als würde sich damit eine sehr liebevolle Stimmung weiterverbreiten.

Dann schlug plötzlich ein hässlicher Kommentar diese Sanftheit kaputt. Eine mir nur online bekannte „Freundin“ belehrte und korrigierte mich auf ziemlich grobe Art und Weise.

Nach den ganzen liebevollen Gefühlen war das wie ein Schlag ins Gesicht .

Nach dem ersten Schreck kamen verschiedene Stimmen in mir hoch (die zu verschiedenen inneren Anteilen gehörten):

Ein wütendes Kind: Die blöde Kuh!

Ein ängstliches Kind: Hab ich was falsch gemacht?

Die Kriegerin: Das gibt Rache! Mach sie fertig!

Eine vernünftige Erwachsene: Vielleicht hat sie das nur so dahin geschrieben und es gar nicht so negativ und belehrend gemeint.

Ein verletztes Kind: Jetzt traue ich mich gar nicht mehr, so schöne Posts zu machen.

Eine andere Erwachsene: Vielleicht ist sie neidisch, dass meine Posts plötzlich so viel Sichtbarkeit und Resonanz haben.

Wichtig war für mich in dem Moment, die verletzten und ängstlichen Kinder zu beruhigen. Ich habe mir einen Moment Zeit genommen, nach innen gespürt, die verletzten Anteile wahrgenommen und getröstet.

Danach ging es mir deutlich besser und ich konnte in Ruhe überlegen, wie ich konkret mit der Situation umgehen wollte. Ich habe den hässlichen Kommentar schließlich gelöscht. Der hatte bei diesem liebevollen Post einfach nichts zu suchen und damit war das Thema dann auch erledigt.

So eine klare Reaktion hätte ich nicht zustande bekommen, wenn noch alle aufgebrachten Anteile durcheinander geredet hätten. Dann wäre ich vielleicht auf den Wut- und Rache-Zug aufgesprungen. Oder ich hätte mich mit einem ängstlichen Kind identifiziert und mich nicht mehr getraut, etwas Eigenes zu posten.

Deshalb mein Tipp für Dich:

Wenn Du in einer Situation bist, die Dich so richtig aufregt oder aus der Bahn wirft, dann nimm Dir einen Moment Zeit, setze oder lege Dich hin, atme ein paar Mal tief durch, entspanne Dich – und dann lausche nach Innen und höre die verschiedenen Stimmen, die in Dir sprechen.

Wenn Du auf ein verletztes Kind triffst, dann wende Dich ihm zu und nimm es in Deiner Vorstellung in den Arm und tröste es.

Ich weiß, dass klingt erst mal ein bisschen verrückt oder ungewohnt, aber es wirkt!

Es wirkt übrigens nicht nur bei Kritik oder Schreck-Situationen, sondern auch bei Gelegenheiten, in denen wir uns nicht entscheiden können oder eine Sache einfach nicht hinbekommen.

Das ist nämlich ein Hinweis darauf, dass die inneren Anteile sehr unterschiedlicher Meinung sind und in verschiedene Richtungen ziehen (Man sagt doch auch: Ich fühle mich innerlich zerrissen.).

Es lohnt sich also, mal nach Innen zu schauen und zu gucken, wer sich dort herumtreibt.

Jetzt bin ich natürlich neugierig:

Kennst du auch solche Situationen, in denen es verschiedene Stimmen / Anteile gibt, die sich zu Wort melden? Dann schreib mir gerne einen Kommentar.

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