Prinzessin und Hexe – Manchmal entsteht aus unangenehmen Situationen etwas Gutes

prinzessin neu 500

Ist es Dir auch schon passiert, dass Du in einer Lage warst, die Dir erst mal überhaupt nicht gefallen hat, und dann kam doch etwas Gutes dabei heraus?

Vor vielen Jahren hatte ich einen Bandscheibenvorfall und war längere Zeit krank geschrieben. Für sich allein gesehen, war das natürlich nicht so toll. Was allerdings meinen Stress-Level anging, hat mir diese Auszeit vom Verlag, in dem ich damals noch arbeitete, absolut gut getan und mich auf neue Ideen gebracht.

Ich wollte immer gern eigene Geschichten schreiben, auch mal etwas Längeres, aber die richtige Idee für einen Roman war noch nicht zu mir gekommen.

Damals fiel mir ein Kinderbuch in die Hände mit Episodengeschichten über zwei niedliche Tierfiguren. Das wollte ich auch! Meine Helden waren und sind allerdings die inneren Anteile und Persönlichkeiten, die wir alle so mit uns herumtragen: die inneren Kinder, Künstler, Antreiber, weise Anteile usw.

Also schrieb ich Rücken-Geplagte den ersten, zaghaften Versuch, nur für mich selbst – eine kleine Geschichte über die etwas chaotische Prinzessin Freya und ihre Freundin, die Hexe Miranda. Es hat mir viel Spaß gebracht, und über die Jahre entstanden immer mehr und immer längere Geschichten.

In Freyas Reich siedelten sich nach und nach weitere Personen an: eine Kriegerin, eine weise Frau, zwei Hof-Kritiker, einige Kinder, eine Dienstmagd, ein Drache, und manchmal kommen ihre Eltern, der König und die Königin zu Besuch oder auch Mirandas schrille Hexen-Freundinnen. Eine Zeitlang lebte Freya mit einem Prinzen zusammen, aber der entpuppte sich leider als Frosch und musste das Reich wieder verlassen.

Aus den späteren Geschichten wird irgendwann ein Buch entstehen, aber diese erste kleine Experimentier-Story (mit unübersehbar autobiografischem Hintergrund ;-)) gibt es hier schon mal als Kostprobe:

WENN DIE HEXE SCHIESST

Die Prinzessin hatte beschlossen, Schlittschuhlaufen zu gehen und galoppierte auf ihrer Lieblingsstute zum See hinunter.

Schade, die Hexe war noch nicht dort. Also ritt Freya durch den knirschenden Schnee zum Häuschen ihrer Freundin hinüber. Aus dem Schornstein quoll dichter Rauch, so als hätte Miranda gerade ein paar dicke Scheite auf das Feuer gelegt.

„Klopf! Klopf!“ rief Freya übermütig und fiel gewissermaßen mit der Tür ins Haus. Drinnen stand die Hexe mit missmutigem Gesicht am Herd und wartete darauf, dass der silberne Wasserkessel zu summen anfing.

„Hallo-ho! Kommst Du mit zum Schlittschuhlaufen?“

„Nein!“, erwiderte die Hexe barsch und schaute weiter den Kessel an.

„Wieso nicht? Es ist wunderbar heute am See. Die Sonne scheint, das Eis glitzert …“

„Ich hab’s im Kreuz“, brummte Miranda und rieb mit schmerzverzogenem Gesicht über ihren breiten Rücken.

„Ach, du Arme, was hast du denn gemacht?“ Freya sah sie mitleidig an.

„Gemacht? Ich habe überhaupt nichts gemacht“, grummelte die Hexe. „Beim Suppe Kochen ist es passiert. Ich war dabei, ein gutes Süppchen für starke Widerstandskräfte zu brauen. Da fielen mir ein paar Blatt Odermennig auf den Boden. Und als ich mich danach bückte, da war er schon da, der Hexenschuss. Ich kann dir sagen, das ist eine … ziemlich …“ Sie stockte, als sie in die weit aufgerissenen Augen der Prinzessin sah. „Was glotzt du denn so blöd?“

„Wer … äh … was war schon da, als … äh … du dich bücktest?“, stotterte Freya und versuchte ernst zu bleiben.

Die Hexe kniff die Augen zusammen und musterte sie scharf. „Mädel, bist du schwer von Begriff, heute? … Sag mal, lachst Du über mich? Der Hexenschuss war da! Und das tut verdammt weh, kann ich dir …“

Die Prinzessin nickte angestrengt und hielt sich dabei eine Hand vor den Mund. „Hihi“, entschlüpfte es ihr. Doch sie schaffte es noch einmal, sich zusammenzureißen und ein halbwegs ernstes Gesicht zu machen.

Miranda schaute sie misstrauisch an. „Mein Kreuz tut mir sehr weh, und ich kann nicht wirklich glauben, dass du dich über mich lustig machst.“ Ihre Stimme bekam einen leicht drohenden Tonfall. „Ich habe einen Hexenschuss! Was ist daran komisch?!“

Freya versuchte noch einmal ernsthaft, sich zusammenzunehmen. „Das … tut mir ja leid …äh … und hihi…äh … ich will eigentlich gar nicht lachen …hihi … äh … aber … ha, ha … ein Hexenschuss!“, prustete sie schließlich los.

Ihre Freundin war fassungslos. „Was ist, verdammt noch mal, daran so witzig?!?“

„Hihi, du bist doch die Hexe … ha, ha, wer hat denn auf dich geschossen? Ha ha ha!“, platzte Freya heraus und wollte sich ausschütten vor Lachen. Als sie aber die Miene der Hexe sah, hob sie, immer noch prustend, beschwichtigend die Hände.

„BEELZEBUB!!“, brüllte Miranda mit Donnerstimme und hatte Sekunden später ihren Zauberbesen in der Hand. „Dir werd ich’s zeigen! Arme, kranke Hexen zu veralbern!“ Sie schulterte den Besen wie ein Gewehr und legte auf die Prinzessin an, die wohlweißlich schon den Rückzug angetreten hatte.

„Ach, lass doch … hi, hi … war doch … war doch nur ein Spaß …“ Die Prinzessin war vorsichtshalber schon bis zur Tür zurückgewichen. „Ich wollte wirklich nicht … hihi…“, entschlüpfte es ihr da noch einmal.

Peng! Eine dicke schwarze Wolke schoss auf die Prinzessin zu, ihr mitten ins Gesicht!

„Heh! Iiih!“, hustete Freya entsetzt und wischte ergebnislos an dem Kohlenstaub herum. „Heh! Nicht … auf meinen neuen Schneeanzug! Bist du verrückt!“

Peng! Eine zweite Ladung hinterließ einen großen finsteren Fleck auf dem weißen Anzug. Freya drehte sich hektisch um und lief kreischend aus dem Haus.

„Ha! Das bringt Spaß!“, brüllte Miranda hinterher und gab noch zwei Schwarze-Wolken-Schüsse auf die fliehende Prinzessin ab.

„Ho, ho, ha, ha!“ Die Hexe lachte so sehr, dass ihr die Tränen kamen. Sie nahm den Besen von der Schulter und stemmte die Hände in die Hüften. „Rache ist süß, ha, ha!“

Dann ließ sie sich schwer auf ihren Lieblingshocker plumpsen. Aber da sie sich so steif bewegte, verfehlte sie den Hocker und landete unsanft auf dem harten Dielenboden.

„Autsch! Au weia. Auch das noch! Bei meinem Kreuz!“, jammerte sie. „Beelzebub, hilf mir mal.“ Sie benutzte den Besen als Krücke und rappelte sich mühsam hoch. Dann betastete sie vorsichtig ihren dicken Po.

„Fühlt sich gar nicht mal so schlecht an! Ich glaube, der Ruck hat alles wieder zurechtgerückt. Schau mal, Beelzebub! Ich kann schon wieder Samba tanzen, ho, ho!“ Die Hexe probierte ein paar Tanzschritte und schwenkte ihre üppigen Hüften. „Das geht wie geschmiert! Siehst du:

Wenn die Hexe schießt mit Ruß,
geht vorbei der Hexenschuuß!

Ho, ho! Beelzebub! Wir gehen Schlittschuhlaufen! Flieg schon mal vor und fege das Eis! Ich suche meine Schlittschuhe!“

 *   *   *

Hast Du auch schon mal Deine Erlebnisse in kleine Geschichten verpackt?

Es muss ja weder ein Kunstwerk, noch ein Bestseller sein, – es soll einfach nur Spaß bringen und ganz nebenbei hilft es Dir dabei, die Ereignisse Deines Lebens mit etwas mehr Abstand zu betrachten.

Ich wünsche Dir eine schöne Woche

Angela

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